Ein beschwerlicher Weg
Sam und Jamila müssen sich das Leben in Arosa verdienen. Dr. Hans Schmid beschreibt den herausfordernden Lernprozess von einst schlecht gehaltenen Bären.
Das Arosa Bärenland nimmt nur Bären aus schlechter Haltung auf, welche die Tierschutzorganisation VIER PFOTEN ausfindig macht und rettet. Wir sind uns bewusst, dass diese Bären verhaltensgestört und unfähig sind, sich natürlich zu verhalten. Der Lernprozess im Arosa Bärenland ist für neu angekommende Bären eine grosse Herausforderung. Wir sind verantwortlich, den Lernprozess in möglichst kleinen Schritten und mit viel Geduld zu ermöglichen.
Die nicht artgemässen Haltungsbedingungen führen bei Bären häufig zu Verhaltensstörungen.
Wenn die Bären im Arosa Bärenland ankommen, treffen sie auf eine völlig neue Umgebung. Das Neue und somit Unvertraute löst natürlicherweise Angst und grösste Vorsicht aus. Sam war nach dem Verlassen der Transportkiste derart eingeschüchtert, dass er sich sogleich in die grösstmögliche Deckung einer Höhle zurückzog. Darin verblieb er bis weit in die Nacht, um dann erstmals seine Innenanlage vorsichtig zu erkunden. Jamila meisterte ihre Angst anders. Als sie den Stall betrat, rannte sie kurz panikartig umher. Danach erstarrte sie und beobachtete vom Stall aus stillstehend die Innenanlage. Erst nach zwei Stunden begann sie, ihre Innenanlage behutsam zu erkunden und alles zu beschnuppern. Die beiden Verhaltensweisen von Sam und Jamila unterscheiden sich. So gehen Bären, wie auch wir Menschen mit neuen Lebenssituationen und der Angst jeweils anders um.
Bärin Jamila erkundet nach der Ankunft die Innenanlage im Arosa Bärenland
In den Folgetagen war eine zunehmende Vertrautheit beider Bären in ihrer Innenanlage beobachtbar. Beide konnten völlig entspannt in ihren Höhlen auf dem Rücken liegen und in der Innenanlage Futter suchen. Jamila war jeweils sehr unruhig und schreckhaft unterwegs, Sam trug die angebotenen Fleischknochen jeweils noch in die Höhle, um in Deckung fressen zu können. Wie bisher alle neu angekommenen Bären laufen auch Jamila und Sam regelmässig verhaltensgestört hin und her.
Als Sam begann, ausserhalb der Höhle zu ruhen, war dies ein Signal, dass er sich zunehmend sicherer fühlte. Gleichzeitig beobachteten wir, wie er nachtaktiv wurde. (Das hat damals Meimo auch gemacht.) Als am 31. Mai 2022 (11 Tage nach der Ankunft) erstmals der Schieber zur Aussenanlage tagsüber öffnete, verschlief er diesen «Pressetermin». Obwohl Sam die Schieberöffnung bemerkte, verliess er die Höhle nicht (siehe Bericht hier). Das Gleiche geschah in den Folgetagen. Wir beobachten das Verhalten von Sam weiter und lassen ihm so viel Zeit wie er benötigt. Auch das gehört zum Lernprozess der Bären im Arosa Bärenland. Sobald sich Jamila weiter beruhigt und beginnt, zwischendurch auch ausserhalb der Höhle zu ruhen, geben wir ihr ebenfalls den Zutritt in die Aussenanlage.
Sobald Jamila ihre Nervosität ablegen kann, wird auch sie in die Aussenanlage dürfen
Die ersten Lernschritte von Jamila und Sam, sich mit den Innenanlagen vertraut zu machen und anderen Bären begegnet zu sein, sind im Gange. Der nächste Schritt wird sein, dass Sam und Jamila je einzeln und abwechslungsweise das Gelände in der Aussenanlage auf der Seite der Mittelstation genau kennen lernen. Ist es soweit, lassen wir die beiden in diesem Teil der Aussenanlage zusammen. Haben sie sich arrangiert, müssen sie sich gemeinsam mit der Aussenanlage Richtung Hotel Prätschli mit dem Wald auseinandersetzen. Danach lassen wir alle vier Bären auf der Gesamtanlage zusammen. Wie sich dann eine natürliche Rangordnung bildet, werden die Bären unter sich ausmachen.
Jamila und Sam sollen in möglichst kleinen Schritten lernen können. Jeder Schritt ist für sie eine belastende und mit Ängsten verbundene Herausforderung. Das Lernen des neuen Lebensraumes sowie das Lernen des natürlichen Verhaltens bewirken jedoch, dass ihre Verhaltensstörungen nachlassen und möglichst verschwinden.
Es braucht Zeit, bis sich die Bären an die neue Umgebung in Arosa gewöhnen.