Ein Jahr Jamila und Sam
Wie ist es unseren Bären während ihrem ersten Jahr in Arosa ergangen?
Von Nordmazedonien hergereist, konnten die Geschwister Jamila und Sam am Nachmittag des 20. Mai 2022 ihre Transportkisten verlassen und die grosse Innenanlage des Arosa Bärenlandes betreten. Auch für sie war der Start sehr herausfordernd. Alles war neu und sie waren völlig verunsichert. Der erste sichere Ort waren die vorhandenen Höhlen, in welchen sie sich schon in der ersten Nacht zurückzogen. Beim ersten Erkunden der Innenanlagen mussten sie lernen, dass keine Gefahren drohten. Eindrücklich ist die Begegnung von Jamila mit einem rohen Ei. Sie näherte sich äusserst misstrauisch dem neuen Gegenstand und beschnupperte diesen auffällig zurückhaltend. Mit einem Tatzenhieb versuchte sie, die vom Ei ausgehende Gefahr besser einschätzen zu können. Um wieder sicher zu gehen, entfernte sie sich vom rohen Ei. Das Beispiel macht uns Menschen erlebbar, was eine völlig neue Umwelt für einen «starken» Bären bedeutet (1. Foto).
Trotz des herausfordernden Lernprozesses liefen Jamila und Sam – wie alle anderen Neuankömmlinge - täglich mehrere Stunden immer an der gleichen Stelle verhaltensgestört hin- und her. Diese Verhaltensstörungen erwarben sie in der Vergangenheit. Die Einzelhaltung in den Betongräben des Herkunftsortes war derart monoton, dass sie aus lauter Langeweile und Frust begannen, sinnlos hin- und herzulaufen. Das Arosa Bärenland hingegen bietet eine natürliche Landschaft. Die Bären werden gefordert, mit diesen natürlichen Situationen umzugehen. Sie lernen, dass sie mit ihrem Verhalten Erfolg haben und als Folge davon bauen sie das sinnlose Hin- und Herlaufen ab.
In möglichst kleinen Schritten lernten Jamila und Sam zuerst die Innen- sowie die Aussenanlage einzeln kennen (siehe Blog EIN BESCHWERLICHER WEG), begegneten sich erstmals direkt in der Aussenanlage und machten im Verlauf des Sommers die Hierarchie mit Amelia und Meimo aus. Danach waren alle vier Bären auf der ganzen Anlage gemeinsam unterwegs (2. Foto). Sie wussten, wer wem, an welchem Standort und in welcher Distanz auszuweichen hatte. Unter diesen naturnahem Voraussetzungen verhielten sich Jamila und Sam zunehmend natürlich und bauen ihre Verhaltensstörungen kontinuierlich ab. Erstmals in ihrem Leben verbrachten sie eine natürliche Winterruhe ohne Futter und Wasser. Dazu wählten Jamila und Sam je einzeln eine vorgefertigte Höhle in der Innenanlage.
Den ersten Aroser Frühling erlebten Jamila und Sam bärentypisch. Gemächlich wurden sie aktiv. Sie stampften durch den Schnee, um an schneefreien Stellen nach Wurzel zu graben sowie die ersten, proteinreichen Grasspitzen abzufressen. Gerne nahmen sie den Kadaver einer kranken, von der Wildhut erlegten Hirschkuh an (3. Foto). Jetzt, nach einem Jahr Herausforderung Arosa Bärenland, verhalten sich beide weitgehend natürlich. Zwischendurch bewältigen sie jedoch einen auftretenden Frust mit dem «alten» Verhaltensmuster des Hin- und Herlaufens. Das dauert jedoch nur noch Sekunden bis wenige Minuten. Das Ziel des Arosa Bärenlandes, dass die Verhaltensstörungen vollständig abgelegt werden, haben Jamila und Sam noch nicht erreicht. Erfahrungsgemäss kann dieser Prozess Jahre dauern. Unsere Jubilare, Jamila und Sam, sind jedoch auf erfreulich gutem Weg dazu. Es wird spannend, die Verhaltensentwicklung des Geschwisterpaares im zweiten Jahr zu verfolgen.